ERTRAGSWERTVERFAHREN
Die Ertragswertmethode war lange Zeit das am weitesten verbreitete Unternehmensbewertungsverfahren im deutschsprachigen Raum, da diese in Deutschland für Wirtschaftsprüfer zwingend vorgeschrieben war. Der starke Einfluss angloamerikanischer Bewertungsmethodik, die stärkere Internationalisierung, sowie die Verbreitung des Shareholder Value-Ansatzes haben dazu geführt, die DCF-Verfahren als Bewertungsmethodik neben die Ertragswertmethodik zu stellen.
Die Ertragswertmethode basiert auf der Annahme, dass der Wert eines Unternehmens hauptsächlich in den zu erwartenden Ertragsüberschüssen, also durch sein Potential, in Zukunft Gewinne zu erzeugen, bestimmt wird. Das Verfahren berücksichtigt die Anlage-Alternativen des Kaufinteressenten, der mit seinem Kapital entweder das Unternehmen erwerben kann oder sein Geld am Kapitalmarkt anlegt.
Die zugrunde liegende Fragestellung für die Unternehmensbewertung lautet: „Wie hoch darf der Unternehmenswert sein, damit der erwirtschaftete Gewinn oder Cashflow eine angemessene Verzinsung auf das eingesetzte Kapital, den Kaufpreis, darstellt?“
Sowohl bei Käufer als auch bei Verkäufer spielt dabei auch die Ermittlung des Grenzwertes eine zentrale Rolle. Dieser ist bei dem Käufer der Verzicht auf das Invest in ein Unternehmen und bei dem Verkäufer statt Verkauf z.B. die Fortführung des Unternehmens. Bei dem reinen Ertragswertverfahren entspricht der Wert des Unternehmens dem Barwert aller zukünftigen Einnahmeüberschüsse.
Der Ertragswert wird somit bestimmt durch den erwarteten Unternehmenserfolg in den folgenden Jahren und durch einen Kapitalisierungs-Zinsfuß, mit dem die zukünftigen Überschüsse auf den Zeitpunkt des Verkaufs abgezinst werden. Die Prognose der zukünftigen Erträge baut in der Regel auf den Werten der Vergangenheit auf. Die Erträge aus der Vergangenheit sind jedoch nur ein Indikator unter vielen für die zukünftige Entwicklung des zu bewertenden Unternehmens. Für den Erwerber des Unternehmens ist entscheidend, wie viel Gewinn er in Zukunft mit dem Unternehmen erwirtschaften kann.
Ertragswert und den Substanzwert
Wieso lässt sich Ertragswert und Substanzwert nicht addieren?
Ein Huhn lässt sich schlachten oder zur Eierproduktion verwenden. Auch bei einem Betrieb kann man die Substanz nicht verwerten, solange man Erträge erzielt.
Ertragswert berechnen
Wenn der durchschnittliche Ertrag auch künftig erzielt wird, dann besteht der Unternehmenswert aus allen künftigen Jahresergebnissen abgezinst auf den jetzigen Zeitpunkt (ewige Rente). Der verwendete Zinssatz ist der prozentuelle Ertrag, der sich aus dem Unternehmenskauf ergeben soll. Beim Zinssatz geht man von der üblichen Verzinsung für sichere Geldanlagen aus, zuzüglich einem Risikoaufschlag.
Vor der eigentlichen Bewertung des Unternehmens sollte daher eine umfassende Analyse sämtlicher Aspekte des Unternehmens durchgeführt werden, insbesondere eine intensive Untersuchung des zukünftigen Umsatz-, Kosten-, Investitions- und Ergebnis-Potenzials.
Schritte zur Ermittlung des Ertragswertes:
- Aufstellen einer Prognose für den relevanten Markt auf der Basis der Entwicklung in der Vergangenheit und einer Chancen-/Risiken-Analyse. Für eine aussagefähige Unternehmens-Prognose sind u.a. Kenntnisse über die Größe und Wachstumsrate der Branche, die Wettbewerber und die Konkurrenzprodukte, die Stellung der eigenen Produkte, die Kundenstruktur, das betriebliche Personal sowie den Zustand des Anlagevermögens/Inventars erforderlich.
- Entwurf einer langfristigen Umsatz-, Kosten-, Ergebnis- und Investitionsplanung (5 Jahre, davon 3 detailliert)
- Ermittlung des nachhaltig erzielbaren Ertrags/ free Cashflows
- Risikobewertung des free Cashflows
- Ermittlung Kapitalisierungszinssatz und Kapitalisierungsfaktor
- Ermittlung Unternehmenswert unter Berücksichtigung verschiedener Szenarien
- Gegenüberstellung mit anderen Bewertungsmethoden
- Zusammenfassung Firmenwert
SUBSTANZWERTVERFAHREN
Wichtigste sind die künftigen Erträge und um diese zu erzielen sind Anlagegüter und ein Warenvorrat erforderlich. Je weniger Substanz zur Erzielung der Erträge eingesetzt werden muss, desto wirtschaftlicher ist das Unternehmen. Unternehmen werden also i.d.R. nach den künftigen wirtschaftlichen Erfolgen und nicht nach der vorhandenen Substanz bewertet. Ist der Substanzwert eines Unternehmens höher als der Ertragswert, so wird die Substanz als Messgröße herangezogen. Zu Beginn ist also zu analysieren ob Substanzwert oder der Ertragswert höher ist.
Beim Substanzwert-Verfahren werden die Kosten addiert, die bei der Reproduktion des vorhandenen Unternehmens anfallen würden. Der Substanzwert bezeichnet den gegenwärtigen Verkehrswert aller materiellen, immateriellen, betriebsnotwendigen und nicht betriebsnotwendigen Vermögensgegenstände abzüglich der Schulden und Verbindlichkeiten des Unternehmens. Die Substanz kann man unter der Annahme der Fortführung (Substanzwert) oder der Liquidation (Liquidationswert) eines Unternehmens ermitteln.
Der Substanzwert wird bestimmt durch Anschaffungswert, Zustand, durchschnittliche technische Nutzungs- und Lebensdauer der zu veräußernden Wirtschaftsgüter, aber natürlich auch durch die Nachfrage nach diesen Gütern.
Die Schwierigkeit, die immateriellen Werte zu berechnen, führt in der Praxis meist dazu, dass nur die materiellen Werte erfasst werden. Immobilien können von vereidigten Gutachtern geschätzt werden. Bei der Schätzung des Substanzwertes der beweglichen Wirtschaftsgüter helfen ebenfalls vereidigte Sachverständige, Berater oder Verbände.
Beim Liquidationswert wird geschätzt, welche Verkaufserlöse die Wirtschaftsgüter erzielen können, wenn sie einzeln verkauft werden. Angewendet wird das Verfahren nur bei chronisch unrentablen Betrieben. Der Liquidationswert stellt daher die absolute Wertuntergrenze des Unternehmens dar.
Bewertung gemeinnütziger Kindergartenverein
Aus steuerlicher Sicht kann der Kindergarten-Verein als Wirtschaftsverein (= eigennütziger Verein) oder
als gemeinnützige Trägerorganisation konzipiert sein.
Beispiel Unternehmensbewertung Methoden
Fallbeispiel: Ein gemeinnütziger Kindergarten-Verein in Wien, der sein Betriebsergebnis bei Vollförderung hauptsächlich durch Fördergeld-Einnahmen erwirtschaftet hat und dessen MA 11 Genehmigung mit Übergabe an eine andere Trägerorganisation erlischt, ist aus Bewertungssicht für die Ermittlung eines Unternehmenswertes zum „Substanzwertverfahren“ zu bewerten (Fachgutachten der Wirtschaftstreuhänder).
Als Basis für eine Bewertung nach Substanzwert dienen: Kleine Vereine (Einnahmen, Ausgaben jeweils unter 1 Mio Euro) müssen eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung und eine Vermögensübersicht erstellen. Der Rechnungsabschluss wird von dem gewählten Rechnungsprüfer geprüft. Laut derzeitiger Verwaltungspraxis setzt sich das angemessene Vereinsvermögen wie folgt zusammen:
Eiserne Reserve (=durchschnittlicher Jahresbedarf)
+ Ansparung für Abfertigungen
+ Rücklagen für konkrete Projekte, für die vereinsrechtliche
Beschlüsse vorliegen (zB Sanierungsmaßnahmen etc)
+ Notfallgeld (zB für vermietete Liegenschaften)
= angemessenes Vermögen.
Der bereits angesprochene Substanzwert heißt auch, „was ist das Inventar aktuell wert?“ Das bedeutet: Es sind die lt. aktuellem Buchwert aus dem Vorjahr im Anlagenverzeichnis angeführten Anlagegüter mit jeweiligem Restwert für einen Unternehmenswert heranzuziehen. Hat die abgebende Trägerorganisation kein Anlagenverzeichnis geführt, so ist vor Ort eine Inventarliste mit Schätzung und entsprechenden Abschlägen (zu Gebrauchswerten) durchzuführen. Auch das Thema „immaterielle Wirtschaftsgüter“ sollte Berücksichtigung finden.
Der Wert für den „nachhaltigen Zukunftserfolg“ ist i.d.R. aus Sicht der MA 11 zu vernachlässigen, da sich dieser durch die Fördergelder ergeben hat.
Achtung für die Nachfolger: Der Vermieter hat das Recht bei Wechsel der Trägerorganisation den Mietpreis auf ein „ortsübliches Preisniveau“ anzuheben. Bei den Kaufpreisverhandlungen ist mit diesem begleitend zu verhandeln.
Tipp: Verein und Steuern
Zum Download: Informieren Sie sich in der Broschüre „Vereine und Steuern – Ein Service für Vereine und ihre Mitglieder“ des Bundesministeriums für Finanzen!
MARKTWERTMETHODE & WEITERE VERFAHREN
Ein weiterer Ansatz zur Wertermittlung ist der Marktwert, der sich letztlich aus dem Spiel von Angebot und Nachfrage als Gleichgewichtspreis ergibt. Bei börsennotierten Unternehmen ist dies der Börsenwert. Bei anderen Unternehmen können börsennotierte Unternehmen oder in jüngster Vergangenheit übertragene Unternehmen Anhaltspunkte für die vergleichsorientierte Wertermittlung geben. In der Literatur stößt man außerdem häufig auf die Begriffe „Mittelwert“ und „Stuttgarter Verfahren“.
Die sogenannte Mittelwertmethode berechnet den Unternehmenswert als arithmetisches Mittel aus Ertrags- und Substanzwert. Es wird meist nur dann angewendet, wenn der Ertragswert größer ist als der Substanzwert. Die Mittelwertmethode wird auch häufig als Praktikerverfahren bezeichnet. Der Mittelwert wird errechnet, indem man Substanz- und Ertragswert gewichtet und addiert. Oft wird in der Praxis hierfür fälschlicherweise synonym der Begriff „Stuttgarter Verfahren“ verwendet.
UNTERNEHMENSBEWERTUNG & ERTRAGSWERT
Der Firmenwert hängt von vielen Faktoren ab. Das Ertragswertverfahren ist Standard und gilt neben der DCF-Methode nach herrschender Meinung unter finanziellen Zielsetzungen (Nutzung) als das einzig theoretisch richtige Verfahren zur Unternehmensbewertung. Dies wird damit begründet, dass der Käufer keinen Preis zahlen wird, bei dem sich der investierte Kaufpreis nicht genügend verzinst.
Jedoch lassen sich auch mit dem Ertragswertverfahren grundsätzlich nur Tendenz-Aussagen erzielen. So besteht Unsicherheit über den richtig angesetzten Kapitalisierungs-Zinsfuß und über die Höhe der künftigen Erträge.
Die Gewinne des Vorgängers können hier nur einen Anhaltspunkt für den Erfolg des Nachfolgers geben, da die Wettbewerbsverhältnisse sich im Laufe der Zeit ändern können, oder die unternehmerischen Fähigkeiten des Verkäufers und des Käufers variieren.
Ein weiteres Problem ist die wenig realistische Annahme zeitlich unbefristet zu erzielender Erträge.
Somit führt eine Unternehmensbewertung auf dieser Basis zu vergleichsweise hohen Kaufpreisforderungen seitens des Verkäufers.
Wie bereits erwähnt ist für die Berechnung eines Firmenwerts die Vorgabe des Fach-Senats für Betriebswirtschaft (KFS BW 1) zu beachten.
UNTERNEHMENSBEWERTUNG ERSTELLT – UND DANN?
Wenn der Firmenwert berechnet ist …
- Wie ist ein unabhängig berechneter Firmenwert in die Kauf- bzw. Verkaufsverhandlungen einzubeziehen?
- Sind Emotionen z.B. bei einer Bewertung innerhalb eines Familienunternehmens lenkbar?
- Wie lässt sich eine professionell erstellte Bewertung strategisch sinnvoll präsentieren?
Schritt für Schritt: Neben der professionellen Ausarbeitung einer Unternehmensbewertung oder der Bewertung von Gesellschaftsanteilen setzt genau hier zusätzlich unsere Beratung an. Hier ist der Berater inkl. Mediation gefordert.
Unsere Buch-Empfehlung: Unternehmensbewertung von KMU, Verlag Linde , Prof. Pummerer.
Lesen Sie auch unseren Beitrag: Fallbeispiel Gastronomie bewerten